BAYERN
Menschen Allesamt
TEXT Bernhard Heckler
Tegernsee. Obere Hanglage, Traumblick. Es ist sechs Uhr morgens. Der Ehrenpräsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, ist seit drei Stunden wach. Möglichst leise, um seine Frau nicht zu wecken, geht er nach unten ins Wohnzimmer. Unter seinem Morgenmantel ist er nackt, den schweißnassen Pyjama hat er oben im Bad ausgezogen. Er fühlt sich unfassbar schlecht. Staubtrockener Mund, tonnenschwere Augenlider, sein schnell schlagendes Herz pumpt mit viel zu viel Druck das cholesterinübersättigte, dickflüssige Blut durch die engen, prallen Adern in die abgelegenen Winkel seines massiven, alten Körpers.
In der Küche lässt Hoeneß sich auf einen Stuhl fallen. Die Nacht hat ihm so sehr zugesetzt, dass er es jetzt nicht mal mehr schafft, sich noch kurz ein Glas Wasser zu holen. Um drei ist er hochgeschreckt, wie so oft, er kennt das schon, plötzlich keine Luft mehr, Todesangst, unkontrolliertes Wimmern. Es ebbt immer nach ungefähr einer Minute ab, aber die Nacht ist dann gelaufen. Seine Susi will er nicht mehr aufwecken, die hat er schon so oft um den Schlaf gebracht. Ein Blick in ihr ruhiges Gesicht, und er weiß, was für ein Glück er immer schon gehabt hat.
Draußen füllt der Morgennebel das Tal wie Stickstoff. Hoeneß verspürt ein ungeheures Verlangen, die Balkontür zu öffnen und barfuß rauszugehen, kurz den nassen Rasen unter den Füßen zu spüren, ein bisschen frische Luft ins Gesicht zu bekommen. Aber er kommt nicht aus seinem Stuhl hoch. Er spürt die Präsenz seines Bauchs. Manchmal steht er nackt vor dem Spiegel und packt den Bauch mit beiden Händen. In diesen Momenten hasst er sich. Andererseits: Sein Körper ist ein Gravitationsfeld der Macht, er ist das fleischige, magnetische Zentrum des größten deutschen Fußballvereins, dieser unendlich komplizierten, trotzdem perfekt laufenden, organischen Maschine FC Bayern München.
Aus dem Arbeitszimmer hört er das vertraute Rattern des Faxgeräts. Wie ein Computer funktioniert, hat Uli Hoeneß nie interessiert. Wer was von ihm will, schickt ein Fax.
Unter ungeheurer Anstrengung hievt er sich aus dem Stuhl. Nur – und zwar wirklich ausschließlich nur – das Geschäftliche vermag ihn noch zu mobilisieren. Auf dem Weg zum Arbeitszimmer kommt ihm ein Gedanke: Sein Leben hängt von diesem dreißig Jahre alten Faxgerät ab. Sobald es den Geist aufgibt, ist es auch für ihn an der Zeit. Das weiß er einfach. Noch funktioniert es prächtig, alles, was blinken soll, blinkt. Keine Anzeichen für allmähliche Materialermüdung.
Eine handschriftlich hingeschmierte Nachricht hat sich aus dem Faxgerät geschoben. Hoeneß spürt eine zarte Erleichterung, die es ihm erlaubt, für eine Sekunde an etwas anderes zu denken als an seinen eigenen, desolaten Zustand. Er denkt an den verwandelten Elfmeter von Robert Lewandowski gegen den FSV Mainz 05 in der Endphase der letzten Saison. Ausgerechnet per Elfmeter, also halb geschenkt, ist der Pole gleichgezogen mit dem uneinholbaren Gerd Müller, der größten deutschen Fußballlegende. Mit Gerd, seinem geliebten Freund. Gott sei Dank muss der Gerd das nicht mehr miterleben. Verdrängt, übertroffen, der historischen Bedeutung beraubt von der aalglatten Menschmaschine Lewandowski. Hoeneß verzieht das Gesicht, es ekelt ihn an. Dieses T-Shirt mit der unfassbar dämlichen, aus Vermarktungsgründen auf Englisch gehaltenen Aufschrift „4ever Gerd“, so eine Heuchelei. Lewandowski hat sein Trikot mit Absicht gerade weit genug hochgezogen, um den Schriftzug auf dem Shirt darunter zu entblößen, aber nicht weit genug, um eine fünfte gelbe Karte zu kassieren. Bloß nicht das letzte Spiel verpassen. Und so verwies er 4ever-Gerd auf den letzten Metern endgültig auf Platz zwei der ewigen Bestenliste. Alles Kalkül, nichts echt.
Hoeneß versteht sofort. Hat er alles hinter sich. Auch das mit der Selbstanzeige. Knast, Panik, irreparabler Schaden am Selbstbild. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er weiß, was zu tun ist.
Wie gesagt, der Gerd hat davon zum Glück nichts mitbekommen. Die Gnade der Demenz, sofern es sie gibt. Der Kranke vergisst seine Dämonen und weltliche Kränkungen erreichen ihn nicht mehr. Bis zu Gerds Tod hat Hoeneß ihn lange Jahre regelmäßig besucht, aber in letzter Zeit immer seltener, weil er es kaum noch ausgehalten hat mitanzusehen, wie Tag für Tag ein bisschen mehr Gerd Müller abgetragen wurde. Hoeneß denkt an Gerds Frau, die Uschi, sie hat ihn jahrelang in einer Weise gepflegt, die Hoeneß kurzzeitig sogar wieder an einen Gott glauben ließ. Er denkt an das Aufatmen, als endlich Trauer möglich war. Eine einzelne Träne tropft hörbar auf das Parkett. Als der Anflug der Traurigkeit vorbei ist, verspürt Hoeneß plötzlich Dankbarkeit angesichts seiner eigenen Situation, in der der Körper vor dem Geist schlappmacht. Tausendmal lieber bekommt er jedes Stadium seines körperlichen Verfalls ganz genau mit, als dass er das Gesicht seiner Susi nicht mehr erkennt. Liebe, das hat er gehabt. Das kann ihm niemand mehr nehmen.
Hoeneß unterbricht seine Gedanken und holt die Notiz aus dem Fax. Er entziffert die windschiefe Handschrift auf dem Zettel aus einem der Büros in der Säbener Straße, der Heimat des FC Bayern. Zweimal liest er aufmerksam, was da steht:
„Habe richtig Mist gebaut mit der Steuer. Kannst du mir helfen? Dringend. Hasan“
Hoeneß’ Müdigkeit löst sich in Luft auf. Er wird ganz ruhig und auch sein Blutdruck sinkt auf einen unbedenklichen Wert. Er geht mit dem Glas zum Wasserhahn und dann nach oben, um sich anständig anzuziehen. Anschließend greift er zum Telefon.
„Hasansalihamidžićweristda?“, meldet sich ein aufgeregt einzelne Silben vernuschelnder Hasan
Salihamidžić am anderen Ende.
„Hier ist der Uli“, sagt Hoeneß.
„Ich bin im Arsch“, sagt Salihamidžić.
Hoeneß versteht ihn schlecht. „Wo bist du?“, fragt er nach.
„Ich bin im Arsch“, ruft Salihamidžić. „Also ich bin im Auto, aber vor allem bin ich im Arsch. Mit der Steuer. Ich muss ganz schnell eine Selbstanzeige machen, sonst komm ich nicht mehr auf die Beine. Die durchsuchen gerade schon mein Haus.“
Hoeneß versteht sofort. Hat er alles hinter sich. Auch das mit der Selbstanzeige. Knast, Panik, irreparabler Schaden am Selbstbild. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er weiß, was zu tun ist.
„Hasan, mach erstmal nichts, rede mit niemandem, und komm zu mir. Dann machen wir
Lagebesprechung.“
Hinter ihm die Stimme der gerade aufgewachten Susi: „Wer ist da dran?“
„Der Hasan“, sagt Hoeneß. „Der kommt gleich vorbei.“
„Will er mit uns frühstücken?“
Hoeneß nickt der Susi zu und sagt zu Salihamidžić: „Die Susi macht einen Kaffee. Am anderen Ende hört er ein gedämpftes Schluchzen.
„Hasan, weinst du?“
Salihamidžić zwischen zwei Schneuzern: „Wie erklär ich das nur meiner Frau?“
„Hasan, pass auf“, sagt Hoeneß. „Du fährst jetzt zu mir. Und zwar langsam. Es bringt keinen weiter, wenn du dich jetzt totfährst. Dann kriegst du einen Kaffee und erzählst mir ganz genau, wie die Lage ist. Ich ruf den Michael an, das ist mein Steuerberater, und dann finden wir zusammen eine Lösung.“
„Ok“, sagt Salihamidžić mit dankbarer Kleinkind-Intonation. „Danke, danke!“
„Ja, ja, jetzt komm erstmal“, sagt Hoeneß milde und legt auf.
Der Nebel hat sich verzogen. Jetzt scheint die Sonne auf den Tegernsee.
„Ulrich, du lächelst ja richtig“, sagt die Susi.
„Schau doch mal, wie schön das ist“, sagt Hoeneß und zeigt auf den See im Tal.
Das elende Gefühl des Morgens ist nur noch eine ferne Erinnerung. Die Aussicht, jemandem helfen zu können, wirkt bei Uli Hoeneß besser als jede Medizin. So ist das wirklich. Was ihm aber in diesem speziellen Fall besonders guttut, ist die Gewissheit, dass er nicht allein ist. Mit seinen Abgründen, mit seinen Fehlern, mit seiner Schuld. Er ist einer von Millionen. Menschen, allesamt. Versuchen, irgendwie durchzukommen und fliegen doch verlässlich auf die Schnauze. Ihr wahres Wesen offenbaren sie in der Reue. So ist das.
Hoeneß tritt auf die Terrasse. Er freut sich darauf, je nach Verkehr, in dreißig oder vierzig Minuten den echten Hasan Salihamidžić kennenzulernen. Einen Mann, der versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Einen Mann wie ihn.
Diese Geschichte mag von Personen der Zeitgeschichte inspiriert sein, ist aber reine Fiktion. Von vorne bis hinten ausgedacht. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Begebenheiten sind rein zufällig.
BAYERN
Menschen Allesamt
TEXT Bernhard Heckler
Tegernsee. Obere Hanglage, Traumblick. Es ist sechs Uhr morgens. Der Ehrenpräsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, ist seit drei Stunden wach. Möglichst leise, um seine Frau nicht zu wecken, geht er nach unten ins Wohnzimmer. Unter seinem Morgenmantel ist er nackt, den schweißnassen Pyjama hat er oben im Bad ausgezogen. Er fühlt sich unfassbar schlecht. Staubtrockener Mund, tonnenschwere Augenlider, sein schnell schlagendes Herz pumpt mit viel zu viel Druck das cholesterinübersättigte, dickflüssige Blut durch die engen, prallen Adern in die abgelegenen Winkel seines massiven, alten Körpers.
In der Küche lässt Hoeneß sich auf einen Stuhl fallen. Die Nacht hat ihm so sehr zugesetzt, dass er es jetzt nicht mal mehr schafft, sich noch kurz ein Glas Wasser zu holen. Um drei ist er hochgeschreckt, wie so oft, er kennt das schon, plötzlich keine Luft mehr, Todesangst, unkontrolliertes Wimmern. Es ebbt immer nach ungefähr einer Minute ab, aber die Nacht ist dann gelaufen. Seine Susi will er nicht mehr aufwecken, die hat er schon so oft um den Schlaf gebracht. Ein Blick in ihr ruhiges Gesicht, und er weiß, was für ein Glück er immer schon gehabt hat.
Draußen füllt der Morgennebel das Tal wie Stickstoff. Hoeneß verspürt ein ungeheures Verlangen, die Balkontür zu öffnen und barfuß rauszugehen, kurz den nassen Rasen unter den Füßen zu spüren, ein bisschen frische Luft ins Gesicht zu bekommen. Aber er kommt nicht aus seinem Stuhl hoch. Er spürt die Präsenz seines Bauchs. Manchmal steht er nackt vor dem Spiegel und packt den Bauch mit beiden Händen. In diesen Momenten hasst er sich. Andererseits: Sein Körper ist ein Gravitationsfeld der Macht, er ist das fleischige, magnetische Zentrum des größten deutschen Fußballvereins, dieser unendlich komplizierten, trotzdem perfekt laufenden, organischen Maschine FC Bayern München.
Aus dem Arbeitszimmer hört er das vertraute Rattern des Faxgeräts. Wie ein Computer funktioniert, hat Uli Hoeneß nie interessiert. Wer was von ihm will, schickt ein Fax.
Unter ungeheurer Anstrengung hievt er sich aus dem Stuhl. Nur – und zwar wirklich ausschließlich nur – das Geschäftliche vermag ihn noch zu mobilisieren. Auf dem Weg zum Arbeitszimmer kommt ihm ein Gedanke: Sein Leben hängt von diesem dreißig Jahre alten Faxgerät ab. Sobald es den Geist aufgibt, ist es auch für ihn an der Zeit. Das weiß er einfach. Noch funktioniert es prächtig, alles, was blinken soll, blinkt. Keine Anzeichen für allmähliche Materialermüdung.
Eine handschriftlich hingeschmierte Nachricht hat sich aus dem Faxgerät geschoben. Hoeneß spürt eine zarte Erleichterung, die es ihm erlaubt, für eine Sekunde an etwas anderes zu denken als an seinen eigenen, desolaten Zustand. Er denkt an den verwandelten Elfmeter von Robert Lewandowski gegen den FSV Mainz 05 in der Endphase der letzten Saison. Ausgerechnet per Elfmeter, also halb geschenkt, ist der Pole gleichgezogen mit dem uneinholbaren Gerd Müller, der größten deutschen Fußballlegende. Mit Gerd, seinem geliebten Freund. Gott sei Dank muss der Gerd das nicht mehr miterleben. Verdrängt, übertroffen, der historischen Bedeutung beraubt von der aalglatten Menschmaschine Lewandowski. Hoeneß verzieht das Gesicht, es ekelt ihn an. Dieses T-Shirt mit der unfassbar dämlichen, aus Vermarktungsgründen auf Englisch gehaltenen Aufschrift „4ever Gerd“, so eine Heuchelei. Lewandowski hat sein Trikot mit Absicht gerade weit genug hochgezogen, um den Schriftzug auf dem Shirt darunter zu entblößen, aber nicht weit genug, um eine fünfte gelbe Karte zu kassieren. Bloß nicht das letzte Spiel verpassen. Und so verwies er 4ever-Gerd auf den letzten Metern endgültig auf Platz zwei der ewigen Bestenliste. Alles Kalkül, nichts echt.
Hoeneß versteht sofort. Hat er alles hinter sich. Auch das mit der Selbstanzeige. Knast, Panik, irreparabler Schaden am Selbstbild. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er weiß, was zu tun ist.
Wie gesagt, der Gerd hat davon zum Glück nichts mitbekommen. Die Gnade der Demenz, sofern es sie gibt. Der Kranke vergisst seine Dämonen und weltliche Kränkungen erreichen ihn nicht mehr. Bis zu Gerds Tod hat Hoeneß ihn lange Jahre regelmäßig besucht, aber in letzter Zeit immer seltener, weil er es kaum noch ausgehalten hat mitanzusehen, wie Tag für Tag ein bisschen mehr Gerd Müller abgetragen wurde. Hoeneß denkt an Gerds Frau, die Uschi, sie hat ihn jahrelang in einer Weise gepflegt, die Hoeneß kurzzeitig sogar wieder an einen Gott glauben ließ. Er denkt an das Aufatmen, als endlich Trauer möglich war. Eine einzelne Träne tropft hörbar auf das Parkett. Als der Anflug der Traurigkeit vorbei ist, verspürt Hoeneß plötzlich Dankbarkeit angesichts seiner eigenen Situation, in der der Körper vor dem Geist schlappmacht. Tausendmal lieber bekommt er jedes Stadium seines körperlichen Verfalls ganz genau mit, als dass er das Gesicht seiner Susi nicht mehr erkennt. Liebe, das hat er gehabt. Das kann ihm niemand mehr nehmen.
Hoeneß unterbricht seine Gedanken und holt die Notiz aus dem Fax. Er entziffert die windschiefe Handschrift auf dem Zettel aus einem der Büros in der Säbener Straße, der Heimat des FC Bayern. Zweimal liest er aufmerksam, was da steht:
„Habe richtig Mist gebaut mit der Steuer. Kannst du mir helfen? Dringend. Hasan“
Hoeneß’ Müdigkeit löst sich in Luft auf. Er wird ganz ruhig und auch sein Blutdruck sinkt auf einen unbedenklichen Wert. Er geht mit dem Glas zum Wasserhahn und dann nach oben, um sich anständig anzuziehen. Anschließend greift er zum Telefon.
„Hasansalihamidžićweristda?“, meldet sich ein aufgeregt einzelne Silben vernuschelnder Hasan
Salihamidžić am anderen Ende.
„Hier ist der Uli“, sagt Hoeneß.
„Ich bin im Arsch“, sagt Salihamidžić.
Hoeneß versteht ihn schlecht. „Wo bist du?“, fragt er nach.
„Ich bin im Arsch“, ruft Salihamidžić. „Also ich bin im Auto, aber vor allem bin ich im Arsch. Mit der Steuer. Ich muss ganz schnell eine Selbstanzeige machen, sonst komm ich nicht mehr auf die Beine. Die durchsuchen gerade schon mein Haus.“
Hoeneß versteht sofort. Hat er alles hinter sich. Auch das mit der Selbstanzeige. Knast, Panik, irreparabler Schaden am Selbstbild. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er weiß, was zu tun ist.
„Hasan, mach erstmal nichts, rede mit niemandem, und komm zu mir. Dann machen wir
Lagebesprechung.“
Hinter ihm die Stimme der gerade aufgewachten Susi: „Wer ist da dran?“
„Der Hasan“, sagt Hoeneß. „Der kommt gleich vorbei.“
„Will er mit uns frühstücken?“
Hoeneß nickt der Susi zu und sagt zu Salihamidžić: „Die Susi macht einen Kaffee. Am anderen Ende hört er ein gedämpftes Schluchzen.
„Hasan, weinst du?“
Salihamidžić zwischen zwei Schneuzern: „Wie erklär ich das nur meiner Frau?“
„Hasan, pass auf“, sagt Hoeneß. „Du fährst jetzt zu mir. Und zwar langsam. Es bringt keinen weiter, wenn du dich jetzt totfährst. Dann kriegst du einen Kaffee und erzählst mir ganz genau, wie die Lage ist. Ich ruf den Michael an, das ist mein Steuerberater, und dann finden wir zusammen eine Lösung.“
„Ok“, sagt Salihamidžić mit dankbarer Kleinkind-Intonation. „Danke, danke!“
„Ja, ja, jetzt komm erstmal“, sagt Hoeneß milde und legt auf.
Der Nebel hat sich verzogen. Jetzt scheint die Sonne auf den Tegernsee.
„Ulrich, du lächelst ja richtig“, sagt die Susi.
„Schau doch mal, wie schön das ist“, sagt Hoeneß und zeigt auf den See im Tal.
Das elende Gefühl des Morgens ist nur noch eine ferne Erinnerung. Die Aussicht, jemandem helfen zu können, wirkt bei Uli Hoeneß besser als jede Medizin. So ist das wirklich. Was ihm aber in diesem speziellen Fall besonders guttut, ist die Gewissheit, dass er nicht allein ist. Mit seinen Abgründen, mit seinen Fehlern, mit seiner Schuld. Er ist einer von Millionen. Menschen, allesamt. Versuchen, irgendwie durchzukommen und fliegen doch verlässlich auf die Schnauze. Ihr wahres Wesen offenbaren sie in der Reue. So ist das.
Hoeneß tritt auf die Terrasse. Er freut sich darauf, je nach Verkehr, in dreißig oder vierzig Minuten den echten Hasan Salihamidžić kennenzulernen. Einen Mann, der versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Einen Mann wie ihn.
Diese Geschichte mag von Personen der Zeitgeschichte inspiriert sein, ist aber reine Fiktion. Von vorne bis hinten ausgedacht. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Begebenheiten sind rein zufällig.